Vortragsreihe Anti-Rassismus

Visuelle Strategien in Wissenschaft, Populärkultur und Kunst

English version below

Dienstags, 8. Juni – 13. Juli 2021 via Zoom, 18.00-19.30 Uhr

Mediale Alltagskulturen und Massenmedien prägen unser Bild davon, welche gesellschaftlichen Gruppen von einer Dominanzgesellschaft als „normal“ und welche als „anders“ bzw. gar nicht wahrgenommen werden. Visuelle Identifizierungen von vermeintlicher „Differenz“ und „Andersartigkeit“ werden in dieser Vortragsreihe kulturhistorisch in ihren epistemischen Mechanismen von Rassismus, Kolonialismus und Sexismus analysiert. Wir fragen, wie antirassistisches, antikoloniales und emanzipatorisches Wissen für die Sichtbarmachung von Gegenstrategien eingesetzt wird. Eingeladen sind Akteur:innen, die in ihrer musealen Praxis, der Bildungsarbeit sowie in ihrer historischen wie kulturwissenschaftlichen Forschung für die Sichtbarkeit antirassistischer Arbeit in unserer Gesellschaft eintreten. Die unterschiedlichen Perspektiven aus Forschung, Kunst- und Kulturpraxis sollen die Diskussion über die notwendige Etablierung von kritischer Diversität anregen und uns alle an der Universität für verantwortungsbewusstes Handeln sensibilisieren.

Die Vortragsreihe ist eingebunden in die Lehrveranstaltungen des Lehrstuhls für Mediengeschichte/Visuelle Kultur, die im Sommersemester 2021 die Themenschwerpunkte Antirassismus, Postkolonialismus und Postmigration haben. Darüber hinaus sind die Vorträge für alle interessierten Hochschulangehörigen zugänglich.

Unterstützt von: Prorektorat für Bildung & der Referentin für Diversity Policies, Zentrum für Gender Studies Siegen und University of Copenhagen (German Studies)

Anmeldung bei Noelle Esposito unter: noelle.esposito@student.uni-siegen.de

Referent:innen

08. Juni

Dr. Ömer Alkin, Institut für Medienwissenschaften, Universität Marburg

Parasitäre Bilder im Migrationskino. Von kulturalisierendem Rassismus und faschistoidem Integrationsethos

Bilder, die sich aus Vor-Bildern speisen, verzehren meist ihren „Wirt“ und gehen daran oft genug zugrunde: so wie die zahlreichen Bilder des postmigrantischen Kinos nach den 2010er Jahren. Sie versuchen sich vom desintegrativen Gestus früher Darstellungen von Migrantinnen zu lösen – durch solche repräsentationslogischen Gegenstrategien können sie das Vor-Bild aber immer nur bestätigen und werden von diesem verzehrt. Denn der Parasit „White Savior Complex“ wimmelt überall. Nicht nur in Form der weißen „errettenden“ Filmfiguren, die beispielsweise die ehrenmordbedrohten muslimischen Töchter auf dem Motorrad in die (westliche) Emanzipation befreien, sondern auch überhaupt in den Ansichten, die uns die filmischen Bilder zur Verfügung stellen.

15. Juni

Filmscreening: Palimpsest of the AfricaMuseum

Regie: Dr. Matthias De Groof, Belgien 2019
In Kooperation mit dem German International Ethnographic Film Festival, Göttingen

2013 wird das Königliche Museum für Zentral-Afrika (Tervuren) in Belgien wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Dadurch bot sich die Gelegenheit, dieses ethnografische und Naturkunde-Museum und seine Ausstellungen neu zu interpretieren. Die ausgestopften Tiere, die traditionellen Masken und verstaubten Artefakte sollten einer revidierten Einstellung zum Kolonialismus unterzogen werden. Der Prozess der Entkolonialisierung führte zu heftigen Diskussionen und grundlegenden Fragen: Wer schaut wen an? Wessen Geschichte wird wem erzählt? Der Film dokumentiert und begleitet die Renovierung dieses Museums und verfolgt die dekolonialen Prozesse hin zum heutigen AfricaMuseum.

22. Juni

Dr. Lisa Bogerts, Institut für Protest- und Bewegungsforschung, Berlin

Visuelle Medien & Populärkultur: (Anti-)Rassismus im Alltagskonsum

Popkultur macht Spaß, sie unterhält und begeistert uns genau wie viele andere. Dabei prägt sie unser Weltbild ganz nebenbei im Alltag, auch und gerade, wo wir Politik nicht unbedingt erwarten. Populärkultur ist einflussreich, denn sie ist allgegenwärtig. Das verschafft ihr viel Macht im „vorpolitischen Raum“ der (Alltags-)Kultur. Rechte Gruppen und ihre Sympathisant:innen nutzen das, um Publikum für ihre menschenfeindliche Ideologie zu gewinnen. Der Vortrag zeigt, wie extrem rechte Gruppen visuelle Medien wie Internet-Memes nutzen, um rassistische, antisemitische und sexistische Botschaften zu verbreiten. Ein Rückblick in die Geschichte zeigt, dass popkulturelle Medien immer wieder eingesetzt wurden, um solche Ausgrenzungsdiskurse und -praktiken aufrechtzuerhalten; auch in (post-)kolonialen Kontexten. Schließlich wird danach gefragt, wie Popkultur dagegen wirken kann: Welche neuen Narrative, Repräsentationen und Identitäten kann sie verhandeln und sichtbar machen, um visuelle Medien emanzipatorisch und für sozialen Wandel zu nutzen – und um weiter Spaß an Popkultur zu haben?

29. Juni

Susanne Wernsing, freie Ausstellungskuratorin, HTW Berlin

Bilderverbot? Bildentzug!

Wenn in Online-Sammlungen und Ausstellungen Bilder gesperrt, Objekte verdeckt oder Texte kommentiert werden, ist schnell von Bilderverboten und Zensur die Rede. Etwas nicht zu zeigen, scheint einer konsequenteren Begründung zu bedürfen als etwas zu zeigen. Denn wie Autorität, Beteiligung und Aushandlungsprozesse für die Auswahl eines Exponats begründet werden – danach werden Museen und Kurator:innen nach wie vor selten gefragt. Der Vortrag diskutiert kuratorische Strategien und maßgebliche Akteur:innen für den Umgang mit problematischen Exponaten und skizziert den Bildentzug als analytischen und sozialen Prozess.

6. Juli

Dr. Nadia Ismail, Leiterin der Kunsthalle Gießen

‚Konnotierte Körper’. Die Inszenierung des weiblichen Körpers bei Orlan und Hannah Wilke

Der Vortrag thematisiert die Inszenierung des weiblichen Körpers der amerikanischen Künstlerin und Feministin Hannah Wilke (*1940 New York †1993 Texas, USA) und der französischen Performancekünstlerin Orlan (*1947 Saint-Étienne, Frankreich), die sich beide mit dem Aspekt des ‚konnotierten Körpers’ von Frauen auseinandersetzen.

Hannah Wilke stellt ihren natürlichen Körper als Anschauungsmaterial zur Verfügung, was auch die Veränderungen, die Alter und Krankheit verursachen, mit einschließt. Dabei zitiert sie Posen, die mit typisch männlichen oder weiblichen Rollen verknüpft sind und deshalb Assoziationen zu bestimmten Handlungsweisen oder Wesenszügen implizieren und auf die Dargestellte übertragen werden. Orlan hingegen wählt den künstlich veränderbaren Körper und lässt sich auf Basis von Schönheitsidealen aus der Kunstgeschichte mittels plastischer Chirurgie optisch verändern. Dieser Vorgang, den sie als Performance inszeniert, wird live übertragen. Der Vortrag thematisiert künstlerische Strategien antisexistischer Kritik.

13. Juli

Prof. Dr. Gesine Krüger, Historisches Seminar, Universität Zürich

Die fotografische Kartierung von Planet und Person

Im Vortrag geht es – ausgehend von Albert Kahns Mediathek des 20. Jahrhunderts – darum, ein „Archiv des Planeten“ zu reflektieren. Bei dieser Bilder-Enzyklopädie geht es um Fragen der visuellen Darstellung von Einheit/Gleichheit und Differenz. Wie wird in Kunst und Konsum die Idee einer einheitlichen Menschheit als Menschenfamilie inszeniert? Wo liegen die Probleme, wenn Gleichheit visuell hergestellt werden soll?


 

Anti-racism – visual strategies in science, popular culture and art

Tuesdays, June 8 – July 13, 2021 via Zoom, 6-7:30pm

Everyday media culture and mass media shape our image of which social groups are considered „normal“ by a dominant culture and which are considered „different“ or not perceived at all. In this lecture series, visual identifications of perceived „difference“ and „otherness“ are analysed culturally and historically in their epistemic mechanisms of racism, colonialism, and sexism. We ask how anti-racist, anti-colonial, and emancipatory knowledge is used to make counter-strategies visible. We have invited experts who advocate for the visibility of anti-racist work in our society in museum practice, educational work, as well as in historical and cultural studies research to speak on this. The different perspectives from research, art and cultural practice should stimulate the discussion about the necessary establishment of critical diversity and raise our awareness to enable us at the university to act responsibly.

The lecture series is integrated into the courses of the Chair of Media History/Visual Culture, which in the 2021 summer semester focus on anti-racism, post-colonialism and post-migration. The lectures are open to all interested university members.

Supported by: the Prorectorate for Education & the Diversity Policies Officer, Centre for Gender Studies Siegen and University of Copenhagen (German Studies)

To register, please contact Noelle Esposito at: noelle.esposito@student.uni-siegen.de